Kurzer Abriss der Stadtgeschichte von Geislingen
Seit der späten Bronzezeit, der Urnenfelderzeit, sind im Geislinger Talkessel Siedlungsflächen durch archäologische Funde nachzuweisen. Eine kontinuierliche Besiedlung ist jedoch erst seit dem 5. Jahrhundert mit der Landnahme der Alamannen zu verzeichnen, als aus drei oder vier merowingischer Ansiedlungen in karolingischer Zeit das Dorf Giselingen, der heutige Stadtteil Altenstadt, entstand.
So gibt die Erwähnung einer Schenkung der ‚Mechtildis de Giselingen‘ in einer nicht mehr erhaltenen Blaubeurer Urkunde aus dem Jahre 1108 den ersten Hinweis auf den damals bereits existierenden Ort Giselingen, heute Geislingen-Altenstadt, und mit dieser Namensnennung entsteht gewissermaßen der Schauplatz der Geschichte unserer Stadt, die mit dem Datum 7. November 1108 auf eine über 900jährige Geschichte zurückblicken kann.
Zur gleichen Zeit wurde um 1100 die Burg Helfenstein zur Sicherung der wichtigen alten Römerstraße erbaut, der Weiler Steige, die den Aufstieg auf die Alb ermöglichte. Dieser Albaufstieg und die spätere Reichsstraße durch das Rohrachtal nach Ulm wurden seit dem 12. Jahrhundert immer wichtiger und schließlich maßgeblich für das Entstehen der Stadt Geislingen. Zur Sicherung der Reichsstraße nach Ulm wurde von den Grafen von Helfenstein um 1171 eine Zollstation angelegt, an der später seit dem 15. Jahrhundert der ‚Alte Zoll‘ errichtet ist. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts entstand um die Zollstation entlang der Reichsstraße eine befestigte städtische Siedlung, die 1237 erstmals urkundlich erwähnt worden ist, als hier, ‚apud giselingen‘, der Stauferkaiser Friedrich II. eine Urkunde an den Bischof von Bamberg ausstellen ließ.
Spätestens um 1250 war die rechteckige Stadtanlage von einer rund sechs Meter hohen Mauer umgeben und mit Türmen gesichert. Im 14. Jahrhundert wurde Geislingen nördlich und südlich der Stadtanlage durch zwei dreieckige Handwerkervorstädte erweitert. Die Grafen von Helfenstein waren die Begründer der Stadt und hatten sie fast 200 Jahre in Besitz. 1382 mussten sie ihre Herrschaft an die Reichsstadt Ulm verpfänden und schließlich 1396 an die Ulmer verkaufen.
Die freie Reichstadt Ulm war im 15. Jahrhundert reich und dem ulmischen Landstädtchen Geislingen bekam dies recht gut. In dieser Zeit wurden prächtige Fachwerkhäuser wie das Alte Rathaus (1422), die Stadtkirche (1424–1428) und der Alte Zoll (1495) erbaut. Doch der 30jährige Krieg und die Franzosennot im 18. Jahrhundert sorgten für den Niedergang der ulmischen Reichsstadtherrlichkeit.
Bedeutend für Geislingen war die Beindrechslerei und Elfenbeinschnitzerkunst, deren Produkte weit über die Stadt hinaus berühmt waren. Von 1763 bis 1769 lebte der Dichter, Journalist und Musiker Daniel Friedrich Christian Schubart in Geislingen. Er unterrichtete hier die Geislinger Schuljugend und er heiratete Helene Bühler, eine Tochter der Stadt. An ihn erinnert das Schubarthaus.
Ab 1780 wurden die Geislinger Stadtmauern und Türme abgebrochen. 1802 wurde Geislingen zunächst bayerisch, dann 1810 württembergisch. Damit begann eine neue Zeit. Geislingen wurde Oberamtsstadt, und das Oberamt Geislingen existierte bis 1938, als es schließlich zum Kreis Göppingen zugeschlagen wurde.
Nach Jahrzehnten der wirtschaftlichen Stagnation zu Beginn des 19. Jahrhunderts brachte der Eisenbahnbau – die Geislinger Steige wurde von 1847 bis 1850 erbaut – industriellen Aufschwung. 1850 wurde von Daniel Straub in der Kapellmühle die Maschinenfabrik Geislingen gegründet, und 1853 entstand aus der Ölmühle unterhalb der Stadt die Plaquéfabrik Straub & Schweizer, aus der 1880 die Württembergische Metallwarenfabrik (WMF) hervorging.
In Altenstadt sorgte die Industriellenfamilie Staub aus Zürich für die Entstehung der Textilindustrie im Filstal. 1852 erbaute Johann Heinrich Staub mit seinen Söhnen die Mechanische Spinnerei Altenstadt und wenige Jahre später entstand die Mechanische Weberei Kuchen, 1857 von Arnold Staub gegründet.
Die Industrialisierung brachte der Stadt neuen Aufschwung und innerhalb weniger Jahrzehnte wuchs die Stadtbürgerschaft durch den Zuzug von Arbeitern, die in der MAG und der WMF ihr Einkommen hatten auf das Fünffache an. Zugleich war die Industrialisierung eine nicht endende Herausforderung für die Stadtväter, denn es galt die ständige Wohnungsnot zu lindern und neue öffentliche Einrichtungen zur Versorgung, Betreuung und Bildung der Bürgerschaft zu errichten.
1912 wurde Altenstadt eingemeindet. Im Seebach entstand ein neues Wohnquartier. Gas- Wasser und Elektrizitätswerke entstanden, neue Kirchen, Schul- und Bildungseinrichtungen, Gerichts- und Verwaltungsgebäude, Bäder und Sportanlagen, das Kreiskrankenhaus, Kindergärten und Sozialeinrichtungen und vieles mehr wurden gebaut. Durch neue Wohngebiete und Gewerbe- und Industrieansiedlungen wurde nach und nach der gesamte Talkessel besiedelt. Mit dem Karls- und Staufenstollen begann in den 1920er und 1930er Jahren der Eisenerzabbau im Michelsberg, der zu neuem Zuzug von Bergleuten aus allen Revieren Deutschlands führte und für die neue Wohnquartiere in Altenstadt errichtet wurden.
Die Stadt blieb zwar im Zweiten Weltkrieg vom Bombenhagel verschont, aber die Not der unmittelbaren Nachkriegszeit brachte neue Herausforderungen mit sich. So wurden in Geislingen die aus ihrer Heimat geflohenen Esten einquartiert und ein ganzes Heer von Flüchtlingen aus den deutschen Ostgebieten mussten in der Stadt untergebracht werden. Die Währungsreform 1948 und die Gründung der Bundesrepublik brachte in den 1950er und 1960er Jahren durch den Wiederaufbau den wirtschaftlichen Aufschwung mit sich und für alle Bevölkerungsschichten zunehmende Prosperität. Das selbst erbaute Eigenheim, der ersparte neue PKW und die jährliche Urlaubsreise waren wie andernorts Ausdruck des allgemeinen Wohlstands.
Dieser Wirtschaftsboom brauchte zunehmend Arbeitskräfte, die zunächst als Gastarbeiter aus den südeuropäischen Nachbarstaaten hierher nach Geislingen kamen und ihre Familien nachkommen ließen. In den 1970er Jahren waren es dann vorwiegend türkische Gastarbeiter und mit dem Fall der Berliner Mauer kamen deutschrussische Familien nach Geislingen. Sie alle fanden hier samt ihren Familien ihre neue Heimat, wenngleich auch die Integration dieser Migrantenfamilien nun in der dritten Generation zu einer Herausforderung für die Geislinger Bürgerschaft geworden ist, denn der bei über 20 Prozent liegende Ausländeranteil der Stadtbevölkerung muss verkraftet werden.
Brachte die Nachkriegszeit den wirtschaftlichen Aufschwung, so begann in den 1980er Jahren, die Stadt allmählich ihre Prosperität zu verlieren. Infolge der Verwaltungsreform von 1972, die der Stadt Geislingen kaum weitere Entfaltungsmöglichkeiten zukommen ließ, mit dem Wegzug der Heidelberger Druckmaschinen AG 1985/86 und dem Ausbluten der hiesigen mittelständischen Betriebe brachen anfangs der 1990er Jahre die steuerlichen Einnahmequellen der Stadt so drastisch ein, dass bis heute keine nachhaltige Erholung zu verzeichnen ist. Dieser langjährige Aderlass hat dazu geführt, dass die Stadt Geislingen inzwischen zu den ärmsten Mittelstädten Baden-Württembergs zählt und aufgrund der schwachen infrastrukturellen Situation wohl kaum mehr in der Lage sein wird, diese Verluste im Vergleich zu anderen Städten wettzumachen.
Wichtige Gegenmaßnahmen wie der Ansiedlung der Fachhochschule Nürtingen-Geislingen oder die Ausweisung neuer interkommunaler Gewerbegebiete und die endlich zu erwartende Umgehungsstraße mit dem Ausbau der B10, die für die Entwicklung der Stadt höchst bedeutsam sind, werden allerdings erst langfristig Wirkung zeigen.
Heute leben in der großen Kreisstadt Geislingen rund 27 000 Einwohner.