Teil 4: Geislinger Elfenbein
Zum Abschluss unserer adventlichen Rückblicksreihe wollen wir nun die „Mutter aller Weihnachtsausstellungen“ vorstellen, die vom 13. Dezember 1985 bis zum 12. Januar 1986 in der gerade eben renovierten Galerie im Alten Bau stattfand. Schriftgut aus dem Stadtarchiv und rund 300 Exponate erzählten in dieser Schau vom Geislinger Traditionshandwerk der Elfenbeinschnitzerei, das in den 1960er Jahren ausstarb.
Die Elfenbeinschnitzerei lässt sich in Geislingen mittels urkundlicher Belege bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen. Beindrechsler gab es laut archäologischen Funden allerdings schon im 13. Jahrhundert, während der Herrschaft der Grafen von Helfenstein. Zu den besten Zeiten dieses Gewerbes, im 16. bis 18. Jahrhundert, lebte sogar jeder fünfte Geislinger von diesem Handwerk. Dabei erwies sich die Lage des Städtchens auf der Handelsstraße zwischen Nord- und Süddeutschland und Richtung Oberitalien als sehr günstig. Bekanntheit erlangten die Geislinger Beindrechsler und Elfenbeinschnitzer für ihre filigranen Arbeiten. Elias Resch (1560–1609) etwa brachte 600 Schüsselchen in einem Pfefferkorn unter. Papst Paul V. war von diesem Kunstwerk so beeindruckt, dass es Aufnahme in sein Kuriositätenkabinett fand. Nicht ganz so klein, aber dennoch beeindruckend, waren für die Besucher der Weihnachtsausstellung das Schach- und Kegelspiel, die in eine Haselnuss passten.
Nach einer weiteren Blütephase im 19. Jahrhundert, als das Elfenbein aus den Kolonien günstig zu erwerben war, ließ die Bedeutung dieses Handwerks mit der Industrialisierung nach. 1982 starb der letzte aktive Elfenbeinschnitzer Emil Ruisinger, dessen „Drei Grazien mit Cupido“ der ersten Weihnachtsausstellung als Plakatmotiv dienten. Drei Jahre später starb der letzte Beindrechsler Emil Lotter. Ruisingers und Lotters Werken sowie denen weiterer Geislinger ihrer Zunft wie Lenz, Kauzmann, Strobel, Michler, Schmehle, Neifer oder Gleiwitz widmete sich die Schau.
Erwähnung sollte außerdem ein wichtiger Abwesender finden, nämlich das Schachspiel aus Walrosselfenbein des Johann Friedrich Knoll (1780–1844). Es wurde König Wilhelm I. von Württemberg vom Oberamt Geislingen anlässlich seiner Thronbesteigung 1816 als Geschenk nach Stuttgart übersandt. Einzig eine zeitgenössische Federzeichnung des Schachspiels, die nach wie vor im Geislinger Museum im Alten Bau zu sehen ist, gab 1985 Auskunft über die Beschaffenheit der 32 Figuren. Eine Anfrage an das Württembergische Landesmuseum über den Verbleib des Schachspiels blieb im Zuge der Vorbereitungen für die Ausstellung erfolglos, da es dort vorerst unauffindbar war. Erst Jahre später tauchte es wieder auf. 2008 wurde es dann von Restauratoren gereinigt und ist nun in neuem Glanz im königlichen Jagdschloss in Bebenhausen, nahe Tübingen, zu bewundern.
Die erste Weihnachtsausstellung „Geislinger Elfenbeinkunst“ lockte 3378 Besucher und wurde laut GZ „zum absoluten Knüller“ mit „umwerfender Resonanz“. Die Ausstellung erfuhr überregionale Beachtung, auch in der Fachwelt. Allein an einem der Adventssonntage konnte die Galerie im Alten Bau fast 600 Besucher verzeichnen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor war zweifelsohne der lokale Bezug, denn viele Geislinger konnten mit Leihgaben aktiv an der Ausstellung teilnehmen und stellten Stockgriffe, Brieföffner, Nähutensilien, die Rose aus dem Stadtwappen und noch viel mehr aus (Elfen)Bein zur Verfügung. Der Elfenbeinschnitzer Bernhard Röck aus Erbach im Odenwald zeigte zudem an drei Sonntagen sein handwerkliches Können, gab Tipps zur Pflege von Elfenbeinschmuck und führte kleinere Reparaturen durch.
In seinem Kommentar zur 1. Weihnachtsausstellung schrieb Michael Rahnefeld in der GZ: „Bleibt zu hoffen, daß mit dieser ersten Weihnachtsausstellung ein erster erfolgreicher Anfang gemacht wurde, dem in der kommenden Zeit ähnliches hinzugesetzt werden kann.“ Seit 36 Jahren währt nun diese schöne Geislinger Tradition und wird hoffentlich 2021 fortgeführt werden. Die Bestände des Museums im Alten Bau und des Stadtarchivs bieten zumindest noch zahlreiche Themen für zukünftige Weihnachtsausstellungen!
Dr. Miriam Régerat-Kobitzsch, Stadtarchiv
Teil 3: Kaffeewelten
Zum Frühstück, vormittags am Schreibtisch, nachmittags auf der Terrasse oder abends nach dem Essen – überall finden wir sie, die Tasse Kaffee. Als Heißgetränk oder an sommerlichen Tagen auch in Kombination mit Speiseeis und Sahne ist Kaffee aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Dabei prägt das Getränk nicht nur unsere Gewohnheiten, sondern bestimmte in den letzten Jahrhunderten auch Entwicklungen in der Gastronomie und der Unterhaltung.
Diese Verflechtungen waren der Anreiz für die 21. Geislinger Weihnachtsausstellung, die den Besuchern vom 2. Dezember 2004 bis zum 15. Januar 2005 „Kaffeewelten – Kaffee mit allen Sinnen“ versprach und entsprechende Erwartungen mehr als nur erfüllen konnte. Angefangen bei der Pflanze widmete sich ein Teil der Ausstellung der Kaffeebohne, der Vielfalt an Sorten und ihrem Anbau südlich des Äquators. Hier bildeten echte Kaffeepflanzen und Kaffeesäcke aus verschiedenen Ländern ein farbenfrohes Bild, ergänzt durch unvergleichlichen Kaffeeduft. Dem Transport der Bohnen aus der Anbauregion und der Weiterverarbeitung in der Kaffeerösterei folgte auch in der Ausstellung der Weg in die Kaffeemaschine.
Der Umwandlung in ein Getränk war ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung gewidmet. Von Kaffeekochern aus Jugendstil-Salons bis hin zu Vollautomaten in Kantinen des 21. Jahrhunderts reichte das Spektrum der gezeigten halb- und vollautomatischen Geräte, die größtenteils von der WMF produziert worden waren. Dem Brühen und Einschenken des Kaffees – bei mancher Maschine früherer Jahrzehnte ein fast sinnlicher Akt und eine Wissenschaft für sich – folgt in der Regel der Konsum des Heißgetränkes.
Auch hier wollte die Ausstellung nicht zurückstehen und bot den Besuchern eine in der Galerie im Alten Bau bislang einmalige Gelegenheit zur Rast bei einer Tasse Kaffee. Hierzu nahm man im Ambiente des ehemaligen Geislinger Café Central Platz. Die frühere Ausstattung mit ihren bunten Stühlen und der originale Schriftzug boten dabei nicht nur das Umfeld für ein kurzes Innehalten während des Rundgangs, sondern zugleich den Höhepunkt des Rückblicks auf die Geschichte von Kaffeehäusern und Cafés in Geislingen. Schließlich veranschaulichte die Ausstellung in einem weiteren Part die Entwicklungen des öffentlichen Kaffeekonsums in der Stadt. Dieser begann mit dem ersten Ausschank von Kaffee in Gastwirtschaften und Bäckereien und führte nach Hochzeiten der Einrichtung von Cafés in den 1930ern bis hin zur Entstehung beliebter Tanzcafés um das Jahr 1960. Neben dem weit bekannten und „vornehmsten“ Café Central der Familie Wankmiller lag ein Augenmerk u.a. auf dem Lindencafé, dem Hochauscafé, dem Tanzcafé am Michelsberg oder dem Café Scheifele.
Viele dieser Institutionen deren Namen noch heute vielen Geislingern geläufig sind, waren zum Zeitpunkt der Ausstellung schon länger verschwunden, das Café Central hatte erst 2003 geschlossen. Ihre Rolle haben heute andere Häuser, wie das Café Atelier und das Café Maxime in der Oberen Stadt übernommen. Sie waren in der Ausstellung noch als Newcomer genannt worden und gelten heute als etablierte Größen im Stadtbild.
Kaffeewelten übten und üben eine große Faszination aus, sodass die gleichnamige Schau mit über 4200 Gästen zu den am meisten besuchten Weihnachtsausstellungen gehörte. Sie zählte auch zu den beliebtesten Projekten, die zusammen mit der WMF konzipiert und umgesetzt wurden.
Von 1991 an wurden bis heute nicht weniger als 11 gemeinsame Weihnachtsausstellungen erarbeitet, deren Themen von Galvanoplastik über Besteck, Glas und Kunsthandwerk bis zur Produktfotografie und Werbung reichten. So bereicherte die WMF die Kaffeewelten um zahlreiche Exponate, zu welchen neben Maschinen für den privaten Gebrauch nicht nur das Modell einer Großbrühanlage aus dem Jahr 1930 gehörte, sondern auch eine Kaffeemaschine, die 1968 eigens für den Einsatz in Fernreisezügen der Deutschen Bundesbahn gebaut worden war.
Dr. Philipp Lintner, Stadtarchiv
Teil 2: Hopfen und Malz
„Ein Staat könnte seine Angehörigen nicht leicht ärger bestrafen, als wenn er einmal sämmtliche Bierhäuser drei Tage lang schließen ließe.“ Was der Einsender des Beitrags „Die sociale Macht des Bieres“ in der Ausgabe des Alb- und Filstalboten vom 3. Februar 1866 als scherzhaftes, denn undenkbares Szenario in den Raum stellte, ist im Jahr 2020 bittere Realität geworden. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie trafen die Gastwirtschaften ins Mark und schränkten damit auch stark das gesellige Miteinander ein. Ein Grund also, im zweiten Teil unserer Rückblicke auf vergangene Weihnachtsausstellungen auf sie aufmerksam zu machen.
Die 11. Weihnachtsausstellung „Hopfen und Malz… Von Geislinger Brauereien und Gastwirtschaften“ befasste sich vom 2. Dezember 1995 bis 14. Januar 1996 in der Galerie im Alten Bau mit dem einst in Geislingen blühenden Brauerei- und Gastwirtschaftsbetrieb. Anlass zur Ausstellung und Erforschung des Brauereiwesens in Geislingen war, so der damalige Stadtarchivar und Museumsleiter Hartmut Gruber, der Abriss der Brauerei Pflug im Jahr 1991.
Die Weihnachtsausstellung wurde unterstützt von den drei damals noch bestehenden familienbetriebenen Geislinger Brauereien: die Kaiser-Brauerei, die Glockenbrauerei und die Adlerbrauerei. Darüber hinaus stellten viele andere Gastwirtschaften, wie etwa das Hotel Krone und das Gasthaus Rad, Leihgaben zur Verfügung. Die Schau war ein großer Erfolg und lockte in den kalten Wintertagen 3143 Besucher in den Alten Bau. Aufgrund der großen positiven Resonanz gaben die Stadt und der Kunst- und Geschichtsverein im darauffolgenden Jahr eine Begleitpublikation zur Weihnachtsausstellung heraus.
Die Ausstellung begann mit einem historischen Überblick über die Herstellung des Biers, um sich dann der Geschichte der alteingesessenen Geislinger und Altenstädter Gastwirtschaften und Brauereien zu widmen. In einem imaginären Rundgang durch die Stadt, vom Rorgensteig bis zur Siechenbrücke, wurden den Besuchern zahlreiche Geislinger Traditionsgasthäuser, darunter das Rötelbad, die Glocke, die Sonne, das Lamm, die Wilhelmshöhe oder auch die Wirtschaft „Zum Helfenstein“ vorgestellt. Highlights der Ausstellung waren sicherlich der mit Bierfässern beladene, festlich geschmückte Leiterwagen der Glockenbrauerei, wie auch der in der Galerie aufgebaute hauseigene Ausstellungsbiergarten.
Wirtshäuser sind in Geislingen schon seit dem späten 15. Jahrhundert schriftlich belegt. Dies ist vor 1850 vor allem den Sal- und Grundbüchern der Stadt Geislingen zu entnehmen. Besonders das von 1766 enthält eine wertvolle und umfassende Beschreibung der Geislinger Gasthäuser. Im 19. Jahrhundert sind es dann vorwiegend der Alb- und Filstalbote bzw. die Geislinger Zeitung, die weiterführende Informationen liefern. So zählte Geislingen Anfang des 19. Jahrhunderts 64 Gasthäuser; im späten 19. Jahrhundert sind überdies 14 Brauereien belegt. Nach 1900 kann sich der Lokalhistoriker zusätzlich auf mündliche und schriftliche Zeugnisse der Nachfahren dieser Gastwirtsfamilien stützen. So ist die Erforschung der Stadtgeschichte für den Stadtarchivar auch immer ein Stück Detektivarbeit. Weihnachtsausstellungen sind in diesem Sinne immer wieder perfekte Gelegenheiten, um den Stadtbewohnern ein historisches Thema ans Herz zu legen und sie um ihre Mithilfe bei der Spurensuche zu bitten.
Die Begleitpublikation zur 11. Weihnachtsausstellung „Hopfen und Malz“, verfasst von Hartmut Gruber, ist für 8,- € hier zu erwerben.
Dr. Miriam Régerat-Kobitzsch, Stadtarchiv
Teil 1: Die Faszination alter Karten
Der lange und opferreiche Erste Weltkrieg führte im November 1918 zur Revolution und damit zum Ende des Deutschen Kaiserreichs. Das zeitgleiche Wüten der Spanischen Grippe, die weltweit Millionen Opfer kostete, stand in der damaligen Berichterstattung über den Krieg, politische Umwälzungen und die große Not der Bevölkerung häufig zurück.
Über einhundert Jahre später dominiert eine erneute Pandemie, Covid-19, unsere Medien. Auch ohne Krieg und Revolution steigert sie die Zukunftssorgen Vieler. Über Parallelen und wiederkehrende Muster in der Geschichte wurde und wird in zahlreichen Abhandlungen diskutiert. Auch über den Beitrag, den die Spanische Grippe zum Fall der Monarchie in Deutschland 1918 spielte, gibt es Untersuchungen mit unterschiedlichen Einschätzungen. Im Jahr 2020 ist es jedoch definitiv die Pandemie, die das Deutsche Kaiserreich in der Galerie im Alten Bau in Geislingen zu Fall gebracht hat.
Denn auch in diesem Jahr hatte das Team des Museums und des Stadtarchivs zusammen mit dem Kunst- und Geschichtsverein Geislingen die traditionelle Weihnachtsausstellung geplant. Ab dem 4. Dezember wäre die Gründung jenes Kaiserreichs, das in der Novemberrevolution 1918 sein Ende fand, Thema einer vielseitigen Präsentation geworden. Die Unwägbarkeiten der aktuellen Situation führten zur Entscheidung einer Verschiebung in das Jahr 2021. Die Weihnachtsausstellung 2020/2021 zum Thema „Geislingen und die Gründung des Deutschen Reiches 1871“ wird so voraussichtlich in der Adventszeit des kommenden Jahres eröffnet werden.
Um die Tradition der Geislinger Weihnachtsausstellungen trotzdem auch in diesem Jahr zumindest gedanklich nicht abreißen zu lassen, möchte das Stadtarchiv in den kommenden Adventswochen in einer kleinen Rückschau an einige vergangene Ausstellungen erinnern.
Den Auftakt macht die 19. Weihnachtsausstellung aus dem Jahr 2003. Sie widmete sich der räumlichen Orientierung in und um Geislingen, die über Jahrhunderte auf Karten basierte. Beginnend mit der frühesten kartographischen Erwähnung Geislingens auf der sogenannten Fridericus-Karte, die um 1440 entstand, wurde die Entwicklung des Kartenwesens dargestellt. Dabei folgte die Ausstellung nicht nur der Chronologie vom Mittelalter bis 2001, sondern auch dem Blick vom Großen ins Kleine. Die Besucher konnten so Geislingen auf Karten von Mitteleuropa und Südwestdeutschland, der Grafschaft Helfenstein, dem Ulmer Herrschaftsgebiet, dem Königreich Württemberg und dem heutigen Bundesland entdecken. In den geografischen Mikrokosmos der Stadt und umliegender Gemeinden tauchte man bei der Analyse von Katasterplänen oder Karten zum Bau der Geislinger Steige ein. Manch ein Besucher mag so sein denkmalgeschütztes Eigenheim im hier gezeigten Situationsplan zur Wasserversorgung der Stadt Geislingen aus dem Jahr 1877 wiedergefunden haben.
Geringere Erfolgsaussichten hatten hierbei wohl Besucher aus Türkheim, die auf dem Plan zum Zehnt-Besitz des Geislinger Spitals in ihrem Heimatort im Jahr 1766 nach ihrem Wohnort suchten. Einer Identifizierung stand hier die vereinfachte Darstellung und die fast 250 Jahre zurückliegende Entstehungszeit der Karte entgegen.
Die Faszination alter Karten und Pläne lockte im Winter 2003/2004 über 1200 Besucher in die Galerie im Alten Bau – zwei Jahre vor der Aufnahme des Betriebs von google-maps und dem seitherigen Verschwinden gedruckter Kartenwerke aus dem Alltag.
Der Begleitkatalog zur Ausstellung von Wilhelm Rall mit Beiträgen von Jürgen Hagel und Hartmut Gruber zeigt eine Auswahl an Karten, beschreibt sie und ordnet sie in ihren historischen Kontext ein. „Karten als Zeugen der Geschichte. 500 Jahre Kartographie am Beispiel von Geislingen und Umgebung“ ist für 17,50 € hier erhältlich.
Dr. Philipp Lintner, Stadtarchiv